Pest
Pest (früher Pestilenz, vom lateinischen pestilentia „Seuche“) ist eine hochansteckende Infektionskrankheit, ausgelöst durch das Bakterium Yersinia pestis. In der Vergangenheit sorgte das Pest-Bakterium für zahlreiche Epidemien, die ganze Landstriche entvölkerten und sich durch ihre epischen Ausmaße ins kollektive Gedächtnis einbrannten. Kaum ein historischer Krankheitsausbruch wurde so mit dem Tod und apokalyptischer Zerstörung wie die Pest assoziiert.
Seinen Anfang nahm Yersinia pestis vor etwa zwanzigtausend Jahren vom Floh des Sibirischen Murmeltiers, der Träger des relativ harmlosen Bakteriums Yersinia pseudotuberculosis war. Mit der Zeit evolutionierte das Magenbeschwerden verursachende Bakterium zum tödlichen Pesterreger. Der Sprung des Bakteriums auf den Menschen fand irgendwo in den Steppen der Mongolei und des Chinas statt.
Justinianische Pest
Seinen ersten großen Auftritt hatte das Bakterium um 540 n. Chr. Es handelte sich um die erste dokumentierte Pestepandemie der Weltgeschichte. Die als Justinianische Pest genannte Epidemie kostete 25 bis 50 Millionen Menschenleben, was damals ca. 40 Prozent der Weltbevölkerung ausmachte.
Lange Zeit war es umstritten, ob es sich bei der Justinianischen Pest tatsächlich um Pest handelte. Denn in der Vergangenheit wurde fast jede ansteckende Seuche als Pest bezeichnet. Viele Epidemiologen und Historiker gingen davon aus, dass es sich bei der Pandemie um Pocken gehandelt haben könnte. 1997 wurde in der Gemeinde Aschheim im Landkreis München eine Nekropole freigelegt, von der man annahm, dass sie zur Zeit der Justinianischen Pest angelegt wurde. Ein anderes wissenschaftliches Team untersuchte 2013 die Zähne aus einem Doppelgrab auf DNA-Spuren und fand tatsächlich Sequenzen des Pestbakteriums Yersinia pestis.[1] Damit war es erwiesen, dass es sich bei der schwersten Pandemie der Spätantike tatsächlich um Pest handelte.[2] Mittlerweile weiß man, dass die Pest viel älter ist. Das Pestbakterium wurde in neolithischen Gräbern nachgewiesen, die ca. 4800 Jahre alt sind.[3][4]
Der Schwarze Tod
Die nächste verheerende Pandemie ereignete sich rund 800 Jahre später und ging in die Geschichte als der „Schwarze Tod“ ein. Auch diese Pestpandemie nahm ihren Ursprung zwischen China und der Mongolei. 1346 belagerten die Mongolen der Goldenen Horde die genuesische Stadt Kaffa, die heutige Stadt Feodossija auf der Krim. Trotz zahlreicher Anstrengungen konnten sie die italienische Handelsstadt nicht einnehmen. In den Reihen der Angreifer grassierte inzwischen eine todbringende Seuche. Als sie erkannten, dass sie die Stadt nicht einnehmen konnten, zerteilten sie angeblich ihre Pesttoten und schossen die Leichenteile mit Katapulten über die Stadtmauer. Kurze Zeit später brach auch in Kaffa Pest aus. Einigen Menschen gelang die Flucht. Mit ihren Handelsschiffen brachten sie auch die Krankheit nach Europa.
Vor allem in dichtbesiedelten Hafenstädten verbreitet sich die Seuche schnell. Die miserablen Hygieneverhältnisse beschleunigen die Ausbreitung des Erregers. Chaos und Panik brachen aus. Kranke wurden verstoßen und sich selbst überlassen. Viele ergriffen die Flucht und trugen die Krankheit ins Innere des Kontinents.
Die Menschen des Mittelalters hatten keine vernünftige Erklärung für die Pandemie. Die einen sahen darin Strafe Gottes, die anderen unglückliche astrologischen Konstellationen. Nicht wenige suchten die Schuld bei Juden, die angeblich Brunnen vergiften würden. Manche glaubten gar, die Krankheit werde durch Blickkontakt übertragen.
Dass für die Übertragung des Erregers ein Floh verantwortlich war, konnte niemand ahnen. Die damaligen Mediziner machten allerdings schon die Beobachtung, dass gesunde Menschen durch Kontakt mit Kranken selbst krank wurden. Selbst durch Berührung getragener Kleidung erkrankter die Menschen. Deswegen verbrannte man alte Wäsche und räucherte die Häuser von Pestkranken aus.
Die moderne Bedeutung der Quarantäne stammt aus der Zeit der spätmittelalterlichen Pestpandemie. Die Isolierung der Verdachtsfälle war bereits seit dem Altertum geläufig. Im 14. Jahrhundert wurde sie in italienischen Häfen von 7 bzw. 10 Tagen auf 30 Tage erhöht, im Jahr 1377 auf 40 Tage (quaranta).
Hat sich ein Mensch mit dem Pestbakterium infiziert, dauerte es nicht lange, bis sich die ersten Symptome zeigten. Die Inkubationszeit betrug zwischen einigen Stunden bis zu sieben Tagen. Der Ausbruch der Krankheit begann mit allgemeinem Unwohlsein und Verdickung der Lymphknoten, begleitet mit grippeähnlichen Symptomen. Gelangte das Yersinia-pestis-Bakterium in die Lunge, bedeutete das den sicheren Tod. Ebenso tödlich war die Pestsepsis, wenn das Bakterium in die Blutbahn eindrang. Spätestens 36 Stunden nach den ersten Symptomen starb der Erkrankte. Die meisten Infektionen geschahen durch den Biss des Rattenflohs. Dieser verursachte eine Entzündung der Lymphdrüsen, die als Beulenpest in Erscheinung trat. Eitergefüllte, schmerzende Beulen traten am ganzen Körper auf. Die Haut war mit violetten Flecken infolge von inneren Blutungen übersät. Einige wenige Menschen konnten den Ausbruch der Krankheit jedoch überleben. Sie waren gegen eine erneute Ansteckung immun. Die damalige Medizin war gegen die Seuche machtlos. Es würde noch Jahrhunderte dauern, bis die Wissenschaft die Natur der Bakterien und Viren begriff. Damals waren die Gelehrten überzeugt, die Krankheit würde aus der faulen, vergifteten Luft, der sogenannten Miasma entstehen. Man versuchte, teils mit abstrusen Methoden, das Leid der Sterbenden zu lindern. Auf die eitrigen Beulen rieb man eine Paste aus Harz und getrockneten menschlichen Exkrementen[5] oder Schweinefett[6] ein. Um die Krankheit fernzuhalten, sollte man sich mit ätherischen Ölen einreiben, Salat essen und abwechselnd auf der linken und der rechten Seite zu schlafen, um die Temperatur der Leber konstant zu halten. Das soziale und wirtschaftliche Leben brach zusammen. Die Menschen flohen aus den Städten und gingen keiner Arbeit mehr nach. Die meisten Menschen waren überzeigt, früher oder später selbst dran zu sein und beschlossen, die letzten Freuden im Leben noch zu genießen. Tavernen und Freudenhäuser zogen Menschen an wie nie und trugen noch mehr zur Verbreitung der Infektion bei.
Priester und Totengräber kamen ihren Pflichten kaum noch. Durch den Kontakt mit Sterbenden oder Toten waren sie großer Gefahr ausgesetzt, selbst zu erkranken. Die Totengräber ließen alle Wertgegenstände bei den Leichen, was sehr unüblich für ihren Beruf war. Sie wussten um das große Ansteckungsrisiko. Viele Pesttote wurden in Massengräbern in mehreren Schichten übereinander verscharrt. Um die das Ansteckungsrisiko zu minimieren, so glaubte man damals, deckte man die toten Körper mit Kalk zu, damals einer der ätzendsten Substanz, die man kannte. Solche Kalkschichten helfen heute den Archäologen, die Pestfriedhöfe zu identifizieren.[7] Auch Münzen und Schmuck bei den Skeletten deuten auf Seuchenopfer.
Um Platz für neue Leichen auf den Friedhöfen zu schaffen, legte man sogenannte Beinhäuser an. Bis heute gibt es noch Dutzende solcher Beinhäuser in Europa, die von vergangenen Massensterben zeugen.
Viele Gläubige suchen die Antworten bei Gott. Denn Seuchen gelten als eine der Sieben Plagen der Endzeit. Gläubige rotteten sich zusammen und halten lange Prozessionen ab. Die Selbstgeißelung, sogenannte Flagellanten, erlebten in der Zeit des Schwarzen Todes die Hochblüte. Als Anspielung der Leiden Christi peitschen sich Männer und Frauen öffentlich aus, fügen sich Schmerzen und Wunden zu. 1349 wurden Flagellanten zu Häretikern erklärt. Die öffentliche Selbstgeißelung wurde verboten.
Einige Länder Europas wie Belgien, Polen und Böhmen wurden nur zum Teil von der Pest heimgesucht. In anderen Gebieten starb jeder zweite an der Pest. Insgesamt starb rund ein Drittel der europäischen Bevölkerung an den Folgen der Pestpandemie. Das entsprach etwa 25 Millionen Menschen.
Die Epidemie flaute nach ihrem Höhepunkt rasch wieder ab. Zum einen, weil die Bevölkerung wohl einen Durchseuchungsgrad erreicht hat, zum anderen, weil die Rattenpopulation, die für die Verbreitung der Pest verantwortlich war, selbst durch den Erreger deutlich reduziert wurde.
Heute gilt in Europa die Pest zwar als ausgerottet, dies trifft aber nicht auf alle Länder der Welt zu. Vor aller in Ländern der Dritten Welt kommt es immer wieder zu kleineren lokalen Epidemien. Armut, schlechte medizinische Versorgung und mangelhafte Hygiene tragen zur Verbreitung des Pestbakteriums bei. Bei den ersten Symptomen lässt sich die Infektion gut mit Antibiotika behandeln. Mit dem Fortschreiten der Infektion steigt die Letalität jedoch drastisch an. Eine dauerhafte hochwirksame Impfung gegen Yersinia pestis gibt es derzeit nicht.
Trivia
- Als der französische Gesandter am portugiesischen Hof Jean Nicot die Tabakpflanze an den französischen Hof brachte, wurde ihre Wirkung als Allheilmittel angepriesen. Caterina de' Medici benutzte Schnupftabak gegen die Migräne. Das „Wunderkraut" wurde gegen Zahnschmerzen und Geschwüre aller Art empfohlen. Es kursierte sogar das Gerücht, Tabak würde gegen die Pest helfen.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Die justinianische Pest nördlich der Alpen? Zum Doppelgrab 166/167 aus dem frühmittelalterlichen Reihengräberfeld von Aschheim-Bajuwarenring, Doris Gutsmiedl-Schümann
- ↑ Spektrum.de: Erreger der Justinianischen Pest ist ausgestorben
- ↑ Johannes Krause, Thomas Trappe: Die Reise unserer Gene. Eine Geschichte über uns und unsere Vorfahren. Propyläen, Berlin 2019
- ↑ Der Standard.de: Die Pest könnte schon das neolithische Europa entvölkert haben
- ↑ arte: der Schwarze Tod
- ↑ Der Schwarze Tod. Die Pest im Mittelalter.
- ↑ Der Schwarze Tod. Die Pest im Mittelalter.