Wie wissenschaftlich sind die Science-Fiction-Filme?
Science-Fiction-Filme sind beliebt; sie versetzen uns in Staunen und sprengen die Grenzen unserer Vorstellungskraft, sie zeigen uns neue Welten und beflügeln unsere Fantasie, sie befriedigen unseren Entdeckertrieb, konfrontieren uns mit astrophysikalischen Begriffen und legen uns auf visuell-unterhaltsame Art deren Auswirkungen in immer komplexeren Computeranimationen nahe. Aber bilden sie wirklich oder plappern die Darsteller unsinniges, zusammenhangloses Zeug, um bei dem Zuschauer Kompetenz zu erwecken? Lichtjahre, Parsecs, interstellare und intergalaktische Reisen, Warp-Antrieb, Energie und Interferenzen – all die Begriffe bekommen wir in jedem durchschnittlichen SF-Film geboten.
Dass diese Filme nicht nur wissenschaftliche Terminologie des öfteren verwechseln (Entfernung und Geschwindigkeit, Größenverhältnisse und Zahlen), sondern komplett fantastische Zustände darstellen, um so die Dramatik der Handlung zu verdeutlichen, finde ich nicht nur sehr schade, sondern für millionenschwere Budgets der Hollywood-Streifen unverzeihlich.
Solche Szenerien wie das Manövrieren durch eine Schar herumfliegender Asteroiden oder das Fliegen durch dichte interstellare Nebelschwaden, die wie Discorauch aussehen, vorbeihuschende Sterne nach Einschalten des Warp-Antriebs oder ohrenbetäubende Explosionen im luftleeren Weltraum sind nicht nur totaler Unsinn, sondern wirken sich negativ auf unser Verständnis vom Weltraum aus.
Dabei enthalten interstellare Gase weniger Teilchen, als industriell hergestellten Vakuen auf der Erde. Zum Vergleich: Im Zentrum des Orionnebels findet man pro cm³ Nebelmaterie ca. 100 bis 1000 Atome. In Fernsehröhren, wo die bilderzeugenden Elektronen möglichst ungehindert auf die Mattscheibe gelangen müssen, enthält ein Kubikzentimeter 13*106 Atome! Die Dichte der untersten Schichten der Atmosphäre der Erde - was in etwa den "interstellaren Nebelschwaden" entsprechen würde - enthält hingegen 30 Trillionen Teilchen pro Kubikzentimeter.
Der gefürchtete Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter beherbergt zwar etwa eine Million Objekte größer als ein Kilometer im Durchmesser und eine unüberblickbare Anzahl kleinerer Körper, diese sind aber so weit voneinander entfernt, dass man Glück haben muss, um zwei Planetoide gleichzeitig zu sehen. Von halsbrecherischen Ausweichmanövern zwischen einzelnen Brocken kann da nicht die Rede sein.
Das Dröhnen eines vorbeifliegenden Raumschiffs oder kurze, abgerissene Laute der Laserkanonen sind zwar gut gemeint und sollen etwas Farbe in das eintönige Schwarz des Alls bringen, sind aber kompletter Unsinn, da sich die Schallwellen bekanntlich im teilchenlosen Raum nicht ausbreiten können.
Wir lieben so sehr die SF-Filme, dass wir auf einmal anfangen, überall außerirdische Besucher zu sehen und halten die Venus, Jupiter und Leuchtkäfer für Lichter außerirdischer Fahrzeuge. Wir verbringen Stunden damit, das Raumschiff Enterprise bei seinen unermüdlichen Streifzügen durch die Galaxis zu beobachten und wissen zuweilen nicht, dass die Erde ein Jahr Tage um die Sonne braucht und sogar dass die Sonne ein Stern ist! Wir diskutieren lebhaft über die Möglichkeit der physikalischen Realität von Warp-Antrieb und des Transmitters, versagen aber kläglich bei Pisa-Tests und denken, bei den Lichtjahren würde es sich um Zeitangabe und bei den polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen um ungesunde, aber leckere Nahrungsmittelergänzung handeln.
Star Trek weckt bei dem Zuschauer den Eindruck, die Milchstrasse sei eine überblickbarere Ansammlung von Sternen, dicht bevölkert von anthropomorphen englischsprachigen Außerirdischen, läuft bei aller physikalischer Penibilität die Gefahr, das Universum in der Vorstellung der Zuschauer als eine, alles andere als kleine, aber dennoch erfassbare Bühne, in deren Mittelpunkt die Enterprise mit ihrer Crew agiert, darzustellen, was das begrenzte geozentrische Weltbild, das uns noch immer dominiert, nur bekräftigt.
Die recht kurzen Reisen der Enterprise - Warp-Antrieb hin oder her - der rege kulturelle Austausch zwischen den Bewohnern der Galaxis und die kolonialen Eroberungskriege vermitteln uns den Eindruck, dass sich die Sterne in relativ kurzen Entfernungen zueinander befinden. Dabei sind die Dimensionen zwischen einzelnen Sternsystemen so groß, dass wenn zwei Galaxien mit je 400 Milliarden Sternen zusammenstoßen, man mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen kann, dass kein einziger Stern mit einem anderen kollidieren wird.[1] Wenn man sich die Milchstrasse als eine dünne Scheibe von 100.000 Lichtjahren im Durchmesser vorstellt, so ist es theoretisch möglich, dass etwa neun tausend Zivilisationen mit einem „Sichtradius“ von sage und schreibe 500 Lichtjahren nebeneinander zur gleichen Zeit existieren, ohne von ihren Nachbarn Notiz zu nehmen.[2] Da sich Radiowellen mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, und die Erde seit etwa 50 Jahren Radiowellen emittiert, die in 1000 Lichtjahren Entfernung noch wahrgenommen werden können, hat man uns noch nicht entdeckt. Eine Blase aus Radiomüll mit 100 Jahren im Durchmesser entspricht lediglich 10 Prozent des unsrigen „Ereignishorizonts“ von angenommenen 500 Lichtjahren oder nur 5% der Strecke bis zu unseren vermeintlichen kosmischen Nachbarn.
Wenn Mr. Spock, dessen vulkanisch-menschliche Herkunft den Biologen ähnlich plausibel erscheinen muss, wie die Kreuzung zwischen Mensch und Löwenzahn, nicht gerade gegen seine menschlichen Emotionen ankämpft und die Enterprise nach der Zauberformel „Energie“ mit Einsteinschen Physik bricht, dann macht der Kapitän Kirk „weibliche Aliens an, wobei er sich nicht von der Tatsache stören lässt, dass diese Wesen vielleicht radikal andere Motive und Bedürfnisse habe als irdische Frauen.“[3] Und wenn es der Crew langweilig wird oder sie es eilig haben, drücken sie hin und wieder richtig aufs Gas und werden in einer Sekunde von Null auf 90 Billionen km/h beschleunigt. Es bleibt zu bezweifeln, dass solch ein komplexer Organismus wie der eines Säugers, z.B. des Menschen, solche Kräfte von sagenhaften 880*1012 g unbeschadet überstehen kann. Man sollte schon mit mehr Konsequenzen rechnen, als dass man sich dabei nur übergeben würde, oder dass die Augäpfel ihre gewohnte Position verlassen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die molekularen Verbindungen unseres Körpers in die atomaren Bestandteile zerlegt werden würden. Mit anderen Worten: Wir würden uns in Rauch auflösen. Aber wenn man einmal von dem Problem absieht, dass wir so zart besaitet sind und unsere Körper sich eher für die unspektakulären Beschleunigungen eines Formel-1-Wagens eignen als für die interstellaren Reisen, wie würde so ein Flug mit Überlichtgeschwindigkeit aussehen?
Die imposante Animation beim Anschalten des Warp-Antriebs, wonach die Sternkulisse zu Strichspuren verschwimmt, erzeugt zwar den Eindruck einer ungeheuerlichen Geschwindigkeit, ist aber aufgrund der riesigen Entfernungen im Weltraum unrealistisch, wie wir bereits sehen konnten.[4] Der nächst gelegene Stern Proxima Centauri ist 4,3 Lichtjahre vom Sonnensystem entfernt. Das heißt, das Licht benötigt 4,3 Jahre, um diese Entfernung zurückzulegen. Auch wenn man sich mit Warp 9 bewegen würde - was die klassische Physik stark in Frage stellen würde -, bräuchte man immer noch 25 Minuten, um ihn zu erreichen.
Wenn man von Ost nach West oder von West nach Ost 50 Kilometer in 25 Minuten zurücklegt, dann hat sich an der relativen Lage der Alpen und des Mittelmeers für uns nicht viel verändert. Sowohl die Alpen als auch das Mittelmeer liegen immer noch dort, wo man sie am Anfang der Reise vermutet hätte. Nicht anders verhält es sich im Weltraum. Da die Milchstrasse so groß im Vergleich zu den Entfernungen zwischen einzelnen Sternen ist, würde in der Gegend von Proxima Centauri der von der Erde gewohnte Sternhimmel unser Auge erfreuen. Allerdings mit einem einzigen Unterschied: Von Proxima Centauri aus sieht der Große Wagen fast genauso aus wie von der Erde. Auch die meisten anderen Sternbilder bleiben gleich. Eine bemerkenswerte Ausnahme stellt das Sternbild Cassiopeia dar. Cassiopeia besteht hauptsächlich aus einer Gruppe von fünf Sternen, die wie ein W angeordnet sind. Von Proxima Centauri aus erscheint jedoch ein Schnörkel im W der Cassiopeia; es erscheint ein sechster Stern, der sichtlich heller ist als die anderen fünf. Dieser Stern ist die Sonne.[5]
Fußnoten und Quellennachweise
- ↑ Ein Szenario, das "an der Tagesordnung" ist und den Berechnungen zufolge in 4 Milliarden Jahren auch unserer Milchstrasse und der Andromeda-Galaxie bevorsteht.
- ↑ Beachten Sie das Hintergrundbild. Jede Zelle stellt den "Sichtradius" einer mutmaßlichen Zivilisation dar. Es wäre theoretisch möglich, dass intelligente Spezies auf engstem Raum existieren können, ohne einander wahrzunehmen. Es handelt sich bei dieser Darstellung nur um einen Ausschnitt der Galaxis, in Bezug auf ihre tatsächliche Größe.
- ↑ "Nachbarn im All: Auf der Suche nach Leben im Kosmos", Seth Shostak, Januar 1999
- ↑ Es gibt tatsächlich Computersimulationen, mit denen man versucht, unsere Wahrnehmung an der Grenze zur Lichtgeschwindigkeit zu visualisieren. Aber abgesehen davon, was wir nun sehen würden oder was nicht, würde jeder Körper mit einer Masse größer als die eines Lichtteilchens unendlich viel Energie benötigen, wenn man es auf Lichtgeschwindigkeit zu bringen versucht hätte. Um ein Raumschiff der Galaxy-Klasse mit rund vier Millionen Tonnen auch nur auf halbe Lichtgeschwindigkeit zu bringen, wäre so viel Energie nötig, wie die ganze Menschheit verbraucht hat, verbraucht und wahrscheinlich verbrauchen wird.
- ↑ "Nachbarn im Kosmos. Leben und Lebensmöglichkeiten im Universum", Jerome Agel, Carl Sagan, 1982