Eine Alternative, die keine ist

Aus Wiki.sah
Version vom 23. Dezember 2018, 19:18 Uhr von WikiSysop (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt.)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Warum wir verrückt nach allem sind, was alternativ zu sein scheint.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell sich eine miserable Gegenwart in eine gute alte Zeit verwandelt.

Gustav Knuth

Es war ein Mythos, zu glauben, die Aufklärung würde den Menschen eine wissenschaftlich-naturalistische Weltsicht aufprägen und sie vom Joch der bigotten Religionen befreien. Der Idealismus scheiterte an der Wirklichkeit. Die Fortschritte der Medizin im 20. Jahrhundert, unser Lebensstandard, die grenzenlose Mobilität und ein voller Bauch machten die Menschen nicht glücklicher, ja nicht einmal nachdenklicher. Die Früchte der Wissenschaft, die uns ein langes Leben in Frieden und Wohlstand ermöglichten, hat man nicht etwa mit einem Erntedankfest geehrt, sondern die Wissenschaft als den modernen Baum der Erkenntnis verdammt. Die Wissenschaft hat uns des tröstenden Märchens von der beabsichtigten Weltentstehung in sieben Tagen beraubt, hat uns die Zuversicht genommen, wir würden ewig existieren (wenn nicht in diesem Leben, dann im nächsten), und hat uns vom Thron der Schöpfung - wo wir laut allen Weltreligionen hingehörten - gestoßen. Die tägliche Nachrichtenflut verunsichert uns und macht uns ängstlich: Umweltverschmutzung, Überschwemmungen, Hurrikans, Erdbeben, Terrorismus, Aids, Gewaltkriminalität, Arbeitslosigkeit, Genmanipulation... Wir verlieren den Überblick und suchen verwirrt und verworren nach Alternativen und Auswegen. Wir sehnen uns nach der guten alten Zeit zurück, in eine Welt, in der wir als fromme Christenmenschen oder "edle Wilde" eins mit Gott und Natur waren. Wir sehnen uns nach einer Welt, in der jedes dritte, vierte Kind nicht älter als fünf wurde, in der jede Frau durchschnittlich zehn Schwangerschaften ertragen und überleben musste, in der man 12 bis 14 Stunden lang sein Land bestellen musste, um sich, die wachsende, nicht satt zu kriegende Kinderschar und den maßlosen Landsherrn zu ernähren. Wir wünschen uns eine Welt zurück, in der Doppelmoral der Mächtigen das Leben der einfachen Leute bestimmte, in der Knechtschaft, Sklaverei und Tod zum Leben gehörten wie heute Werbung zum Film. Wir sehnen und nach Natürlichkeit und Naturverbundenheit, in der Bader und Strolche Exkrementenmixturen und verwesende Überreste vermeintlich Heiliger als Wundermittel anpriesen, in der Ratten und Flöhe in ihrer vollsten Natürlichkeit unsere treusten Begleiter waren und Seuchen ganze Dörfer auslöschten und Städte leerfegten. Eine glückliche Zeit ohne "Diktat der leblosen westlichen Medizin", in der ein karieszerfressener Zahn mit Werkzeugen behandelt wurde, die wir heute höchstens aus dem Gruselkabinett der Inquisition im Museum kennen, in der eine harmlose Schnittwunde oder eine Grippeinfektion tödlich enden konnten.

Eine wahrhaftig heile Welt. Nehmen wir die Realität wirklich so verzerrt wahr? Wünschen wir uns "die gute alte Zeit" wirklich zurück? Vielleicht nur die fanatischsten Feinde des Fortschritts, die definitiv eine Minderheit bilden. Die meisten anderen sind in der Mitte angesiedelt, pendeln hin und her, lassen sich belehren, indoktrinieren und manipulieren. Wo man landet, hängt stark von der Bildung, dem sozialen Umfeld und dem jeweiligen Kulturkreis ab. Laut dem amerikanischen Physiker Robert Park sind die meisten von uns gar nicht antiwissenschaftlich eingestellt. Im Gegenteil: wir sind wissenschaftsbegeistert, wir lieben einschlägige wissenschaftliche Dokumentationen und Shows und deren Erzeugnisse wie die modernen multimedialen Spielzeuge. Die meisten Menschen, die Wissenschaft als etwas Positives sehen, sind gebildet und berufstätig. Das Problem ist dabei, dass dieses Wissen oberflächlich ist und dass die meisten keinen Schimmer haben, was die Wissenschaft ausmacht. Und das ist der eigentliche Stolperstein.

Was genau macht eine (Natur)wissenschaft aus? Ist das der weiße Kittel, der Doktortitel oder der Fachkauderwelsch? Ein Labor mit Gerätschaften, in denen Flüssigkeiten blubbern und dabei farbigen Rauch produzieren, eine sterile Ambiente durchsetzt mit Oszilloskopen, Prismen und Computermonitoren? Spricht das zwangsläufig für Wissenschaft? Nein. All das kann mit Wissenschaft zu tun haben und tut es oft auch. Aber nicht zwingend.

Was kennzeichnet dann eine Wissenschaft? Eigentlich ein recht simples Schema, außerhalb dessen Grenzen die Wissenschaft an Gültigkeit verliert. Dieses Schema, das eine Reihe von Kriterien erfüllen muss, heißt wissenschaftliche Methode. Und diese besteht aus folgenden Punkten:

  1. Empirie - Beobachten, Sammeln von Daten und Fakten
  2. Aufstellen einer Hypothese
  3. Verifikation der Hypothese
  4. Mögliche Falsifikation der Hypothese
  5. Aufstellen einer widerspruchslosen Theorie, falls die Hypothese die Falsifizierbarkeit erfüllt, die durch Prognosefähigkeit und Reproduzierbarkeit gekennzeichnet ist
  6. Veröffentlichung unter gängigen Kriterien der Evaluation

Quellennachweise